Wer möchte nicht endlich dem Trichter des eigenen Flugplatzes „entkommen“ und auf Strecke gehen? Ich habe das schon lange im Sinn aber bisher noch nicht die richtige courage, die richtige Strategie – ja was denn? gehabt und konnte nur mit leuchtenden Augen den Berichten der Piloten lauschen, die in den Jura oder Schwarzwald geflogen waren ….

Auf der Segelflugkonferenz im November 2017 in Biel hatte ich vom „BFK Einführung Streckenflug“ gehört, der nach einer längeren Pause wieder stattfinden sollte und wurde David Leemann, dem Initiator des Kurses, vorgestellt. Von Anfang an stand für mich fest, dass ich an diesem Kurs teilnehmen werde und nach ein wenig interner „Werbung“ fanden sich auch Georg (Holderied) und Andreas (Widmer) als Teilnehmer. Dass Domenic (Planta) einer der Instruktoren sein sollte, war ein weiterer Anreiz für den Kurs. Wer von uns schätzt es nicht, mit ihm zu fliegen und mehr über Thermik und „wie man auch in schwierigen Zeiten in der Luft bleiben kann“ zu lernen?

Zu dritt machten wir uns am 30. April auf den Weg zum Flugplatz Montricher (LSTR) um uns dort pünktlich um 10:00 Uhr LT im Clubhaus einzufinden. Als wir den Flugplatz erreichten, wurden wir von einem senkrecht stehenden Windsack (Bild 01) begrüsst und haben, nach einem Longbriefing über die lokalen Gegebenheiten, am Nachmittag erste Erfahrungen zum Thermikfliegen bei starkem Wind gemacht.

Bild 01: Windsack am Flugplatz Montricher (LSTR)

Für die erste Woche hatte der Wettergott anscheinend den Plan es den künftigen Streckenflug-Piloten nicht zu einfach zu machen – wir wollten ja was lernen und man wächst mit seinen Aufgaben. Mit Hilfe der Instruktoren, die uns – vom hinteren Sitz aus – hilfreich zur Seite standen, gelang es uns in der ersten Woche mit den schwierigen Umständen umzugehen und länger als gewohnt in der Luft zu bleiben. Einige von uns starteten in den mitgebrachten Einsitzern um ihr theoretisches Wissen in die Tat umzusetzen.

Als SegelfliegerInnen sind wir ja gewohnt flexibel zu sein und so haben wir die „nicht-flugfähige“ Zeit mit Longbriefings über interessante Themen wie Thermikfliegen, Sollfahrt-Theorie und Trichterflug, Besichtigung der Aussenlande-Felder (Bild 2) und Aussenlande-Training mit der Super Dimona (Bild 3) genutzt. Pesche (Peter Lacher) hat dazu den Motorsegler extra aus Bern geholt und einige konnten so lernen, ob Ihre Einschätzung von landbaren Feldern realistisch war.

Bild 02: Besichtigung der Aussenlande-Felder um Montricher – falls das Schleppseil reisst oder die Höhe nicht mehr reicht …

Bild 03: Aussenlande Training mit Super Dimona, Pesche und Matthias (SG Bern)

Die Longbriefings waren dabei alle sehr interessant und wurden lebendig vorgetragen, wie das Beispiel von Daniel R. zum Thema Hangfliegen, zeigt (Bild 04). Auch, was wir alles auf Streckenflüge mitnehmen sollten und welche Zeichen Thermik anzeigen können („Spurenlesen“), wurden besprochen. Das Longbriefing wurde jeweils mit einem Thema zur Safety, vorgetragen von den Teilnehmern, abgeschlossen.

Bild 04: Wiederholung der Hangflugregeln am Beispiel von Kugelschreiber-Papier-Flieger

Die täglichen Wetterprognosen wurden von Gilbert Levrat mit sehr viel Wissen und Enthusiasmus vorgetragen (Bild 05). Seine Begeisterung – auch für nicht-fliegbares Wetter – hat sich dabei auf uns übertragen. Der grosse Störenfried in der ersten Woche, ein „Kaltlufttropfen“ über der Schweiz, ist uns dabei schon fast ans Herz gewachsen. Wir haben viel von Gilbert gelernt und er hat unser Vertrauen in die Prognosen der MeteoSwiss-App gestärkt. Ein wenig nachdenklich hat mich gemacht, dass die Gabe von Schweizer Schoggi nach der Prognose das Wetter verbessert hat ;-).

Bild 05: Gilbert bei der Wettervorhersage. Seine, auf französisch vorgetragen Prognosen, wurde dabei von Instruktoren simultan ins Deutsche übersetzt, wobei sich einige als wahre Naturtalente zeigten und auch die emotionalen Äusserungen in die Übersetzung einbauten.

Die Ausstattung mit Schleppflugzeugen war ein Luxus. Drei Maschinen standen zur Verfügung, (Bild 06) was aber am ersten Tag mit vielversprechendem Flugwetter, einem Sonntag, trotzdem zu Stauungen geführt hat. Die Aufstellung der Flugzeuge war nicht so geordnet, wie man das in der Schweiz erwarten würde (Bild 07), aber am Ende waren dann alle in der Luft (Bild 08).

Bild 06: Drei Schleppflugzeuge um uns in die Luft zu bringen und im Vordergrund Anita (SG Bern) beim der Vorflugkontrolle.

Bild 07: Startaufstellung – zusammen mit den lokalen Fluggruppen Montricher und Genf

Bild 08: Alle in der Luft ? Französisches Lebensgefühl in der Schweiz …

Für mich persönlich waren zwei Erlebnisse sehr eindrücklich. So bin ich an einem Tag mit Pesche sehr nah an einer Wolke mit niedriger Basis entlang geflogen, um im Geradeaus-Fliegen Aufwinde mit zu nehmen. Noch nie habe ich so eine gigantische Wolke aus der Nähe gesehen – so gross wie ein Gebäude und so eindrücklich wie Wolkenkratzer in New York (Bild 09).

Das zweite war mein bisher längster Flug – aber davon später mehr …

Bild 09: Grosse cumulus Wolken mit niedriger Basis – unglaublich, was wir als SegelfliegerInnen alles erleben können (unten zu sehen Lac de joux).

Nach fünf aufeinander folgenden Tagen mit passablem bis gutem Flugwetter hatte der Wettergott wieder eine Überraschung für uns bereit. Es waren für den Tag Gewitter angekündigt, so wie für die vergangenen Tage auch, und wir wollten fliegen solange die Wettersituation es zulies. An diesem Tag kam – anders als an den beiden Tagen zuvor – die Gewitterzelle wirklich nach Montricher und schneller als erwartet. In den kurzen Regenpausen sind dann die Flugzeuge gelandet, ausser Andreas, der mit David L. in Yverdon bei Mittagessen und Crème brûlée auf den Rückschlepp wartete. Yverdon war schon vorher von anderen Teilnehmern „als gut zur Landung befunden“ und auch Courtelary wurde genutzt. Schon am Ende der ersten Woche hat Anita, zusammen mit Daniel (Rossier), eines der vielen Felder zum Landen benutzt.

Die Verräumung der Flugzeuge war allerdings nicht mehr ohne Regen möglich (Bild 10) und einige von uns wurden ziemlich nass. Am Abend haben wir uns dann bei gutem Essen wieder gestärkt und einen interessanten Tag mit vielen tollen Geschichten abgeschlossen (Bild 11).

Bild 10: Schutz vor dem Regenschauer im Anhänger – das Flugzeug muss noch draussen bleiben …

Bild 11: Nach Regen und Gewitter sind alle wieder gut zurück und lassen sich das feine Essen munden.

Der Höhepunkt des Kurses war für mich mein Flug von Montricher nach Olten und zurück. In der Ferne habe ich meine Arbeitsstelle, den Roche-Turm unter einem Cumulus erkennen können (Bild 12). Der Flug war einfach toll und ich bin das erste Mal auf der „Rennstrecke Jura“ unterwegs gewesen.

Nun ist es meine Aufgabe, die Strecke von unserem Flugplatz in Schupfart nach Olten zu fliegen – ab hier kenne ich jetzt den Weg entlang des Juras mit eventuellen Schwierigkeiten, wie dem Joran und dem Überqueren des Chasserals, aber auch die Flugplätze und mögliche Aussenlande-Felder, falls der nächste Thermikschlauch nicht zu finden ist.

Bild 12: Blick auf Basel (unter dem Cumulus) in der Nähe von Olten.

Ausser den tollen Flugerlebnissen hatten wir als Gruppe sehr viel Spass und die Nachtessen im Clubhaus, von der Berner Gruppe „Villa Thermik“ genannt, oder in einem schönen Restaurant, das Domenic für uns alle ausgesucht hat (Bild 13), waren ein gelungener Abschluss von Tagen, die mit sehr viel Information und Erlebnissen angefüllt waren.

Die Teilnehmer waren eine sehr heterogene Gruppe. Sie bestand aus gerade brevettierten PilotInnen, welchen mit keiner oder wenig Erfahrung im Streckenflug, und einigen, die schon schöne Strecken geflogen sind und noch mehr dazulernen wollten. Diese zwei Wochen waren eine ganz besondere Zeit und es ist immer eine grosse Freude und Anregung, mit anderen SegelflugpilotInnen Erlebnisse und Pläne, aber auch seine Zweifel zu teilen. Es ist einfach wunderbar so tolle Menschen zu treffen, die alle ein wenig verrückt sind und eines der schönsten Hobbies miteinander teilen und auf ihrem Weg wachsen wollen.

Bild 13: Abschluss-Essen in „la breguettaz“ – Käse Fondue mit exzellentem Dessert …

Nochmals vielen Dank an die Instruktoren, an alle Teilnehmer und an die Fluggruppen in Montricher – besonders an die SchlepppilotInnen – die für die Infrastruktur sorgten. Wir wurden so herzlich und selbstverständlich aufgenommen und haben uns auf dem Flugplatz und im Clubhaus zu Hause gefühlt.

Nicht zu vergessen David Leemann, Roland Bieri und Georg Krenger, die Kurse wie diesen möglich machen. Es wäre sehr schön, wenn es auch im nächstes Jahr wieder einen „BFK Einführung Streckenflug“ geben würde.

Es waren unvergessliche Tage und ich habe viele Ideen und Anregungen für meine nächsten Flüge mitgenommen. Vor allem habe ich die drei wichtigsten Dinge gelernt um ein guter Streckenpilot zu werden – Fliegen, Fliegen, Fliegen !

In diesem Sinne – Bon vol !

Bild 14: wie schön kann das Leben sein ….