Als Streckenflieger würde ich mich alleweil nicht bezeichnen, dann doch eher als Gebirgsgeniesser. Dennoch erlauben die günstigen Umstände im jährlichen alpinen Segelfluglager Zweisimmen selbst einem Piloten wie mir, der Aussenlandungen scheut wie der Teufel das Weihwasser, nennenswerte Strecken zurückzulegen. An einem ordentlichen Flugtag klinkt man sich vom Schlepper ab und kurbelt sich normalerweise über Hundsrück oder Spillgerten auf die initiale Arbeitshöhe. Von da an versuche ich dann jeweils, mich via Albristhore und der Krete des Hahnenmoos entlang an die eindrückliche Flanke des Wildstrubels zu stehlen. Wenn am Vorabend nicht alle brav ausgegessen haben, hängen auf dieser Höhe bereits die Wolken wie die Fliegen bei der Club-Baracke. Dieser Zustand beschränkt unseren fliegerischen Effort dann jeweils auf das sog. Haifischbecken, ein Gebiet, das sich von Les Diablerets über die Kaiseregg zum Stockhorn und eben runter zum Wildstrubel erstreckt. Da die Kulinarik im Simmental jedoch hervorragend ist und wir mit gemütlichen Grilladen dafür sorgen, dass jeder auf seinen Geschmack kommt, bleibt meist nichts im Teller übrig, sodass wir auch regelmässig mit Wetterglück gesegnet werden. Liegt die Basis nämlich über dem Wildstrubel, eröffnet sich uns der Weg auf das „Relief“, also den Alpenhauptkamm nördlich des Rhonetals. Unter diesen Bedingungen finde selbst ich den Mut, runter bis Martigny und das Goms hoch bis zum Grimselpass zu fliegen. Ein Ziel blieb mir bis anhin jedoch verwehrt, sei es mangels Mut, das Rhonetal zu überqueren oder mangels Wetterglück: Das Matterhorn.

Als ich dann am Lagersonntag bei besten Bedingungen und gehörigen Thermikschläuchen nach Europäischer Industrienorm (ISO 12402-5) am Dammastock herumgurkte und die tiefliegende Wolkenbasis im Surselva beäugte, entschloss ich mich, der Matterhornlosigkeit meines Flugbuchs ein Ende zu setzen. Richtung Nufenenpass, wo der Talwechsel Nord/Süd noch ohne grossen Effort möglich ist, wurden mir meine letzten Zweifel durch das Butterfly-Instrument genommen. Damit liess sich nämlich feststellen, dass ein Pulk unbekannter Kollegen am Simplonpass offenbar einen Schlauch der Firma Schindler ausgegraben hatte und mit 4.5m in den Äther geschleudert wurde. Ich natürlich hinterher. Am Bortelhorn wegen gefühlten 30cm nicht den italienischen Fluglotsen aus der Siesta geweckt. Am Hubschhorn durchgeschüttelt wie ein Becher Emmi Caffè Latte von einem ambitionslosen Kunststudenten um 07.45 vor dem Hörsaal. Direkt ans Böshorn, aufgezogen, 5m integriert, MIL-Off, adieu merci bis an den Deckel, 4’550m AMSL pure Zuversicht. Der Rest war reine Geduld- und Nervensache, Talent brauchte es definitiv keines mehr. Und ehe ich mich versah, kreiste ich über dem Gabelhorn, schaute in der einen Kurvenhälfte auf das Horu und in der anderen versuchte ich die Basis der AirZermatt zu lokalisieren.

Nun gut, Ziel erreicht, knapp kontrollierbare Euphorie, was nun..? Es war noch relativ früh, die Verhältnisse bombastisch, also zog ich gen Westen weiter und holte noch ein paar von „den Grossen“ wie Grande Dixance, Grand Combin und Grosser St. Bernard ab. Vom Mt. Ferret aus genoss ich den majestätischen Anblick des mächtigen Mt. Blanc und startete bereits meinen Endanflug via Dents du Midi und Col des Mosses. Vor der Landung in Zweisimmen amüsierte ich mich noch kurz über den Aufkreisraum über dem Bahnhof. Denn nachdem man am Mittag oft pickelt wie ein Mineur, will einem am Abend der Abkreisraum manchmal kaum runterlassen. Auf eine unspektakuläre Landung auf der kürzlich sanierten Hartbelagpiste von LSTZ folgte eine umso spektakulärere Grillade mit Bier, bei der wir uns über unsere heutigen Flüge berichteten. Auch wenn die einen den aktuellen Schneebericht vom Piz Bernina wiedergaben, trübte das meine Stimmung nicht. Denn ich war von Zwösme am Horu… und wieder zurück.

Endlich: Das Matterhorn
Majestätisch: Der Mt. Blanc
Flugplatz Zweisimmen: Beste Bedingungen für alpinen Segelflug

Text: Lukas G, Bilder: Lukas G